Neustart für niki und Simon

Neustart für Niki und Simon 29

Heute neue Einheiten 🙂

172. Niki

Wie oft ich mich in der Nacht übergeben habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Einerseits mag ich die Stille gerade, die in diesem Krankenzimmer herrscht, anderseits, will ich jemanden zum Reden. Nein, nicht reden und nicht irgendjemand. Sondern Simon, der mich in den Arm nimmt, seinem Herzschlag lauschen und seine Wärme genießen. Auch, wenn ich weiß, dass es mich irgendwie auch wieder überfordert. Was ich auch dem ganzen Umzug wieder zu verdanken habe. Als es klopft, will ich mich unter der Decke verstecken, bin aber auch neugierig, wer sich über das Verbot meines Vaters hinwegsetzt.

Ohne dass ich etwas sage, geht die Tür auf.

»Markus«, rufe ich erfreut aus. Er sieht definitiv nicht mehr so aus, wie ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er hat einiges zugenommen und seine braunen Haare sind kürzer.

»Und Oma«, sagt er lächelnd und hinter ihm erscheint das Ebenbild meiner Mutter, nur mit weißen Haaren.

»Hallo Liebes«, flüstert sie. Beide holen sich die Stühle her und setzen sich. »Du siehst wirklich nicht gut aus.«

Schwach kann ich lächeln. »Was macht ihr hier?«, will ich wissen.

»Denkst du wirklich«, meint mein Bruder im tadelnden Ton, den sonst meine Mutter draufhat, »dass ich dich nicht besuchen komme, wenn du einen Unfall hattest?«

Ich zucke mit den Schultern.

Meine Oma öffnet ihre Tasche. Sie zieht eine Frischhalte-Box heraus. »Hier etwas Gescheites zum Essen.«

»Keinen Hunger, Oma. Aber danke.«

Sie stellt es auf den Nachtisch. »Und ist wirklich ein junger Mann daran schuld?«

Ich verdrehe die Augen. »Mama erzählt Bullshit. Simon hat nichts gemacht.«

Markus lacht auf. »Damit hat sie dieses Mal nicht Simon gemeint.«

Meine Wangen werden heiß.

173. Simon

Ich überlege hin und her, ob ich sie besuchen gehe. Allerdings bin ich mir sehr unschlüssig und bin mit der ganzen Situation vollkommen überfordert. Will sie, dass ich sie besuche? Will sie es nicht? Oh verstehe doch einer Mädchen. Ehrlich.

Völlig übernächtigt gehe ich in die Küche. Mein Vater sitzt dort mit seiner Tasse Kaffee und liest auf altmodische Art seine Zeitung. Irgendwie mag ich diese Konstanz.

»Morgen«, brummele ich, gehe zur Kaffeemaschine, hole eine Tasse aus dem Schrank und schenke mir ein. Dazu gebe ich einen sehr großzügigen Schluck Milch und zwei Esslöffel Zucker. Damit setze ich mich an den Tisch.

»Auch morgen«, bemerkt mein alter Herr und sieht mich fragend an. »Nicht gut geschlafen?«

Ich hebe die Tasse zur Antwort.

»Okay, die Frage war überflüssig, wenn ich dich so ansehe und bedenke, dass du freiwillig keinen Kaffee trinkst.«

»Hm.«

»Was ist los, Simon?«, fragt er nach einer Weile.

Erst will ich sagen, dass alles in Ordnung ist. Doch dann erzähle ich ihm alles, was mich beschäftigt. Einschließlich der Frage, ob ich Dominique besuchen sollte.

»Geh zu ihr. Du hast sonst eh keine Ruhe«, erklärt er.

»Und die Schule?«

»Lässt du Schule sein! Ich schreibe dir eine Entschuldigung. So wie du darauf bist, könnte das heute einen Mord ergeben. Das ist immer so hässlich«, gluckst er. »Pack deinen Kram zusammen, ich fahre dich ins Krankenhaus.«

Ich starre ihn an. Er lässt mich blau machen. Ohne, dass ich diskutieren muss. Was ist denn jetzt los?

174. Niki

»Aber da du gerade von ihm sprichst«, redet mein Bruder weiter. »Ich freue mich für dich.«

»Danke.«

Meine Oma seufzt. »Es wurde im Grunde auch mal Zeit.«

»Lass das nicht Mama hören.« Das Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen.

Sie winkt ab. »Sie sieht dich noch als ihr kleines Mädchen. Aber das bist du eben nicht mehr.«

Die Tür geht auf und ich höre eine Frau keifen: »Da ist Besuchsverbot.«

»Wie bitte?«, vernehme ich darauf die Stimme von Simon.

»Nur Angehörige.«

Lachend steht mein Bruder auf. Am liebsten würde ich fragen, was daran jetzt witzig ist. Aber sein Satz »er gehört zur Familie« lässt mich ihn einfach nur anstarren.

Er schließt die Tür, bevor die Krankenschwester etwas sagen kann. »Hallo, erstmal.«

»Hallo«, gibt Simon genauso verwirrt von sich, wie ich es gerade bin.

»Ich bin Markus. Ich hoffe, meine Schwester hat von mir nur Gutes erzählt.«

Ich schlucke, da ich mir nicht mal sicher bin, ob ich ihn überhaupt mal erwähnt habe.

»Ich bin Nikis Oma«, stellt sich jetzt meine Oma vor.

Für meinen Kopf ist das gerade zu viel. Schnell muss ich aufs Klo rennen und würge wieder Magensäure die Speiseröhre nach oben.

Toll, jetzt blamiere ich mich schon wieder.

175. Simon

Ich bin mit der Situation gänzlich überfordert. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass sie allein ist und nicht, dass der andere Teil ihrer Familie hier ist, den sie bislang nur mal am Rande erwähnt hat.

Dominique wird das Ganze wohl auch zu viel, denn sie stürzt aus dem Bett in Richtung Toilette. Kurz darauf sind würgende Geräusche zu hören. Das ist echt nicht lustig. Sie tut mir unfassbar leid.

Ich weiß nicht, ob ich ihr nachgehen soll oder nicht. Doch vermutlich würde ich mich daneben knien dürfen, weil ich so was nicht sehen kann. Allein die Geräusche reichen, damit ich mich schon fast auf links drehe.

»Blumenwiese!«, wirft ihre Oma ein. Verwirrt sehe ich sie an.

»Bitte was?«

»Denk an eine Blumenwiese. An den Geruch. Dann kannst du dich damit ablenken. Sonst fängst du nämlich gleich auch noch an.«

176. Niki

Ich will einfach nur noch sterben. Das ist alles so ekelhaft und peinlich. Was wird er von mir denken? Wie kommen die drei miteinander klar? Wird das so wie bei meiner Mam enden?

Schon wieder kommt mir die Galle hoch. Jemand legt seine Hand auf meinem Rücken. Ich zucke zusammen.

»Alles gut, wir sind für dich da«, flüstert mein Bruder.

»Ich will sterben«, wimmer ich.

»Bald geht es dir besser, das verspreche ich dir.«

Ich schüttle den Kopf. Das wird jedem für immer im Kopf bleiben. Die, die nicht aufpassen kann. Es ist das erste Mal, dass ich umziehen will. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so nackt gefühlt.

»Doch.« Sanft hebt er meinen Kopf und wischt mit einem Handtuch über meinen Mund. »Und ich sage dir auch, warum.«

Ich zucke kurz mit den Schultern.

»Weil er hier ist und das, obwohl unsere Mutter hier hätte sein können.«

Im Augenwinkel sehe ich zur Tür, sie ist geschlossen.

»Und wir sind hier, weil wir uns Sorgen gemacht haben.«

»Es ist so entwürdigend.«

»Und was?«

»Alles …«

»Alles ist aber unendlich viel.«

Ich lasse mich seitlich auf seine Brust fallen. »Ich bin inkompetent«, seufze ich.

»Dominant, stur und ich würde sagen eine Eigenbrötlerin, aber sicher nicht inkompetent.«

Als wenn das die ganze Sache jetzt besser macht.

»Ich bringe dich ins Bett«, meint er, weil wir geschwiegen haben. Anscheinend hat er auf ein Gegenargument gewartet, aber ich bin einfach zu fertig, als dass ich jetzt groß meinen Kopf anstrengen will.

Mit Leichtigkeit steht er auf und hebt mich hoch.

»Hey, ich kann laufen«, brumme ich.

Mit den Ellenbogen öffnet er die Tür und lacht.

177. Simon

Ihr Bruder trägt sie ins Bett und ich kann ihr ansehen, wie sehr ihr das nicht passt. Doch da sind wir definitiv einer Meinung und ich hätte es nicht anders gemacht. Nur bin ich da nicht so hart gesotten wie Markus. Ich hätte mich vermutlich direkt auf links gedreht.

Als sie wieder im Bett liegt, nehme ich ihre Hand und lege sie vorsichtig in meine. Sie wirkt so zerbrechlich.

Während ihre Oma und ihr Bruder sich noch mit ihr unterhalten, schweige ich. Ich höre gern zu und gerade glaube ich, dass sie ihre Familie ebenso braucht.

Als sie gegangen sind, sieht sie mich nur müde an.

»Möchtest du deine Ruhe? Soll ich gehen?«, frage ich. »Oder möchtest du schlafen? Ich könnte zu dir ins Bett kommen und dich wieder so festhalten wie vor ein paar Tagen.«

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