Neustart für niki und Simon

Neustart für Niki und Simon 18

Heute neue Einheiten 🙂 und da kommen noch sehr viel mehr

103. Niki

Der Gedanke an einen Wald lässt mich kurz lächeln. »Ja, ich liebe es. Der Geruch, die Stille, die eigentlich keine ist und egal welcher Wald, sie fühlen sich gleich an.« Mein Blick geht von ihm weg zum Fenster. »Mein Bruder und ich haben uns oft dort Stunden lang versteckt. Manchmal haben wir uns ausgemalt, wie es ist, wenn wir sagen, wir bleiben hier und lassen unsere Eltern einfach weiter ziehen. Wir hatten Pläne für Baumhäuser. Eines haben wir sogar angefangen. Im Grunde ist es nur eine Plattform, aber es ist unseres gewesen und dann sind wir wieder weiter gezogen.« Ich ziehe ein Knie an und lege mein Kinn auf. »Groß kann ich nichts machen. Lesen benötigt Bücher, diese nehmen Platz in den Kartons weg. Zeichnen, im Grunde das Gleiche. Daher höre ich viel Musik. Meine fünfhundert Gigabyte sind voll mit Liedern, die ich mag, egal welche Richtung und Zeit.«

Verstohlen sehe ich zu ihm. Was ist das nur, dass ich so mit ihm reden kann? Warum ist er so anders zu mir? Aber vor allem, warum fühlt sich das mit ihm so komisch und doch vertraut an?

Ich atme tief durch. »Du hast bestimmt auch ein Pferd geschnitzt.«

104. Simon

Ich lächele, ohne dass ich es möchte. »Ja sicher.« Ich deute auf ein Regal neben ihr. »Schau mal da oben im Fach. Da müsste es sein.«

Sie zieht die Schublade auf und holt es heraus. Es ist ein einfaches, kleines Pferd. »Das war eines der ersten Dinge, die ich damals mit meinem Taschenmesser geschnitzt habe.«

Ich betrachte sie, wie sie es durch ihre Finger gleiten lässt. Ihre Augen leuchten. Doch warum? Es war nur ein einfaches kleines Stück Holz, dem ich mühsam versucht habe, eine Statur zu geben. Ein wenig gleicht es einem Shetlandpony, dem man viel zu viel Heu zu futtern gegeben hat.

»Mein Vater sagte damals lachend, es sähe aus wie eine Tonne auf vier Beinen«, erinnerte ich mich und sprach es laut aus. Ich merke, wie mir die Ohren rot anlaufen. Herrje, warum brabbel ich zurzeit eigentlich so viel Unsinn? Sie irritiert mich und ich weiß nicht warum.

»Ich schenke es dir«, sagte ich leise, denn ich sehe, wie ihre Finger immer wieder über das Holz fahren. Das wird ja wohl in jeden Umzugskarton passen, denke ich verbittert. Allerdings hoffe ich nicht, dass es zu schnell geschieht. Der Gedanke schmerzt und ich weiß nicht warum. Warum. Immer wieder dieses warum.

105. Niki

Ich schlucke, die aufkommenden Tränen hinunter. »Das …« Tief atme ich durch. »Ich kann das nicht annehmen.« Schnell lege ich es zurück und stehe auf. Mein Herz schmerzt gerade und ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren soll. So etwas habe ich noch nie erlebt. In mir herrscht ein Hurrikan der Gefühle. Ich will hier gerade weg, weil es mich so sehr überfordert. Aber irgendwie auch nicht.

Er steht auf und holt das Pferd aus der Schublade wieder heraus. »Es gefällt dir und so hast du mich in Erinnerung, falls …«

Falls ich wegziehe? Warum kann er es nicht aussprechen?

Langsam fahre ich mit den Fingern über das Holz. Er sagt, er war jung, als er dieses hier geschnitzt hat. Aber trotzdem steckt so viel Liebe darin und er will es mir geben. Mein Blick geht in seine Augen. Er sieht ernst aus und doch etwas verbittert. Ich kann ihn nicht einschätzen. »Falls?«, hinterfrage ich leise. Keine Ahnung, ob ich mit der Antwort zurechtkomme. Wenn er den Umzug meint, heißt das, dass er mich vermissen wird? Wenn ja, warum und was ist dann?

106. Simon

Tief atmete ich durch. Was ist das hier gerade? Himmel! Warum? Warum muss es so schwer sein, in diesem Moment? »Falls …«, erneut atme ich tief durch. Scheiß drauf. Wenn sie gehen will, wird sie das eh tun. Ich kann sie nicht aufhalten. »Falls du wieder umziehen musst. Was ich nicht hoffe. Ich will nicht, dass du gehst. Weder jetzt noch in 4 Wochen oder 4 Monaten.«

So, nun ist es raus. Völlig ermattet sacke ich in mir zusammen, lasse mich auf den Boden plumpsen wie ein nasses Handtuch. Fehlst nur das dumpfe »Bumm«.

Bumm macht mein Herz. Es rast wie ein Güterzug durch meine Brust und alle paar Sekunden ertönt die laute, schrille Pfeife des Lokführers. Mir ist schwindelig und schlecht, ich will heulen und zeitgleich lachen. Ich schaue vorsichtig in Nikis Gesicht. Sehe ich genauso zerstört aus gerade? Sie starrt mich an, wie vom Donner gerührt.

»Bitte geh nicht«, sage ich leise. Ich weiß nicht mal, ob sie gehen will. Weder in diesem Moment noch generell.

107. Niki

Ich bin überwältigt und noch weit aus mehr überfordert als gerade schon. Er will nicht, dass ich wegziehe. Wie hat er sich das vorgestellt? Davon ab, dass ich nicht umziehen will, muss ich mit meinen Eltern mit. In meinem Kopf suche ich einen Lösungsweg. Kann das Leben bitte jetzt nicht Mathematik sein, dann gebe es ein Ergebnis. Langsam gehe ich neben ihm in die Knie. Was kann ich machen, dass es ihm besser geht? Verdammt Scheiß soziale Inkompetenz!

»Simon«, flüstere ich. Vorsichtig strecke ich meine Finger aus und streiche über seine Locken. Keine Ahnung, wie er reagiert, aber das hat mein Bruder immer gemacht, wenn ich geweint habe.

Seine Pupillen huschen hin und her.

Schnell ziehe ich die Hand zurück. Habe ich etwas falsch gemacht. Hasst er mich jetzt? »Tut mir leid«, sage ich schnell und will aufstehen.

108. Simon

»Nicht«, sage ich mit rauer Stimme und ziehe sie zurück. Wieder legt sie ihre Hand auf meine Haare. Nach einigen Minuten vergräbt sie diese darin. Fast muss ich lachen. Die Mähne ist ja wie dafür gemacht. Gerade ist mir alles egal. Es fühlt sich so gut an. Da sie nicht den Eindruck macht, als würde sie von mir wegwollen, ergreife ich ihren Arm und ziehe sie zu mir in die Arme. Ihre Augen sehen genauso verwundert und hilflos aus, wie ich mich fühle.

Aber sie fühlt sich so gut an. Seufzend genieße ich dieses wundervolle Gefühl, sie so nah bei mir zu haben. Es ist ungewohnt und doch empfinde ich es als richtig.

Da sie sich nicht zur Wehr setzt oder weg möchte, drücke ich sie noch fester an mich. Da schlingen sich ihre Arme um meinen Körper. Wir sitzen auf dem Boden und halten uns einfach nur fest.

109. Niki

Ich bin mir uneins, macht er das jetzt für sich, für mich oder vielleicht für uns beide? Im Grunde ist es auch egal, es fühlt sich gut an. So etwas habe ich noch nie gespürt. Es ist schön und irgendwie unheimlich zugleich. Und er riecht so gut. Eine Mischung aus Pferd, Meer und Wald. Hoffentlich sieht er mich jetzt nicht an, der Gedanke beschämt mich. Was ist nur los mit mir?

Die Tür geht auf. Simons Vater sieht uns merkwürdig an. Ist bestimmt auch ein komisches Bild, was wir gerade vermitteln. Mist! Denkt er, jetzt ich nütze Simon aus? Und was denkt Simon? Nimmt er mir das übel? Hätte ich doch loslassen sollen? War das vielleicht ein Test?

»Ihr solltet ins Bett gehen, morgen ist Schule.«

Ich nicke, zum Sprechen fühle ich mich gerade nicht imstande.

Sein Vater schließt die Tür.

Ich will zu ihm etwas sagen, aber er lässt mich nicht los, was mich gerade noch mehr verwirrt. Tief atme ich durch, im Grunde kann ich mit allem rechnen, selbst dass er enttäuscht von mir ist und mich hinauswirft. »Simon, dein Vater meinte, wir sollten uns fürs Bett fertig machen.«

110. Simon

»Das hat auch noch 10 Minuten Zeit. Ich genieß es gerade, wie es ist«, brumme ich nur und ziehe sie noch fester an mich. Hoffentlich denkt sie nun nicht, ich will in sie reinkriechen. Wobei ich es gern würde. Einfach ein bisschen Stille und sich in der Wärme treiben lassen.

Wiedererwartend lässt sie mich nicht los. Im Gegenteil. Offenbar brauchen wir das beide gerade.

Doch irgendwann muss ich sie loslassen. Ohne viele Worte gehen wir ins Bad, machen uns fertig und ich rufe meinem Vater noch eine gute Nacht zu. Er erwidert es. Aber ich kann an seiner Stimme nichts erkennen. Er ist wie immer.

In meinem Zimmer hole ich die zweite Decke und ein weiteres Kissen aus dem Schrank und werfe es auf meine Matratze. Schnell schüttele ich alles auf, mache das Nachtlicht an und krabbel ins Bett. Niki sieht mich fragend an. Ich hebe das andere Oberbett und frage: »Kommst du nun rein oder möchtest du auf dem Boden schlafen?«

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